Sämlingspfropfungen


Ein Beitrag von Guido Bulla

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Seit geraumer Zeit beschäftige ich mich mit Hybriden aus dem Kreis Echinopsis und Trichocereus. Da bleibt es nicht aus, dass man nach Pflanzen, Samen, Blüten- und Pflanzenfotos sucht und automatisch auf Karls hervorragende Internetseite stößt. Sicherlich eine der vollständigsten Datenbanken, die zurzeit verfügbar ist.
Auch für die Vermehrung wird in Wort und Bild die Areolenpfropfung beschrieben sowie deren Ergebnisse und Erfolge dargestellt. Bessere Anleitungen wird man kaum finden können.
Sobald man sich mit der Aussaat von Hybriden beschäftigt, ist man natürlich an einer frühen Erstblüte interessiert, denn nur Exemplare mit schönen Blüten gehören in eine Sammlung, sind vermehrungswürdig und Basismaterial für weitere Kreuzungen.
In diesem Moment wird die Sämlingspfropfung interessant, für mich relevant, da ich inzwischen mehrere Aussaaten auch eigener Kreuzungen vorgenommen habe. Als Mitglied der AG Echinopsishybriden nummeriere ich meine Kreuzungen unter dem Züchterkürzel GBX. Sämlingspfropfungen können auf verschiedenen Unterlagen vorgenommen werden.


Als Unterlage wird häufig Pereskiopsis empfohlen und verwendet, die Quote der erfolgreichen Pfropfungen soll hier sehr hoch sein, der Durchmesser von Pereskiopsis ist gering – es handelt sich hierbei um einen beblätterten Kaktus. Hier ist anzumerken, dass es sich lediglich um eine Übergangspfropfung handeln kann, die Unterlage wächst nicht mit und der Pfröpfling muss irgendwann umgepfropft oder bewurzelt werden. Versuche mit dieser Unterlage habe ich nicht vorgenommen.
Eine weitere beliebte Unterlage ist Selenicereus, diese habe ich bisher ebenfalls noch nicht verwendet.
Gute Erfolge konnte ich erzielen mit 3-4 cm grossen Eriocereus jusbertii. Die Sämlinge wurden gut angenommen und haben ordentliches Wachstum gezeigt. Leider dauert die Nachzucht dieser Unterlage einige Zeit, daher habe ich mich nach Alternativen umgesehen.
Hier kam die Idee, eine Kaktusfrucht im Supermarkt zu kaufen und deren Samen auszusäen.
Man sollte erwarten, dass Kakteen mit großen Früchten auch entsprechend großes Wachstum und entsprechenden Schub für gepfropfte Sämlinge bringen.
Opuntienfrüchte waren im Angebot, darauf habe ich allerdings nicht zurückgegriffen, weil diese als Unterlagen doch recht piepsig sind und die Glochiden (Stachelpolster) sehr fingerunfreundlich sind und zu bösen Entzündungen führen können – das wollte ich mir nicht antun.
Daher habe ich auf eine Drachenfrucht (Hylocereus undatus) zurückgegriffen.
Die Anzahl der in der Frucht enthaltenen Samen war so groß, dass nur ein Bruchteil ausgesät wurde. Die Keimung erfolgte kurz nach der Aussaat und es bildeten sich 2 große Keimblätter, also völlig anders als wir es von Echinopsis, Trichocereus und Co. kennen.
Bald darauf schob sich aus der Mitte der Keimblätter der Hylocereus Kakteenkörper und zeigte ein Wachstum, wie ich es an Geschwindigkeit vorher noch nicht gesehen habe.
Innerhalb von 6 – 8 Monaten hatte ich hervorragende Unterlagen in großer Anzahl zur Verfügung. Diese jungen Triebe sind sehr weichfleischig und gut für die Annahme von Sämlingen geeignet, was sich auch in der Praxis bestätigt hat.
Bereits erst mehrere Tage alte Sämlinge, die noch keine Stacheln gebildet hatten, konnten erfolgreich gepfropft werden.
Hierzu wird zunächst vom Sämling das untere Drittel inkl. Wurzel mit einem Skalpell entfernt. Dabei ist darauf zu achten, dass man den Sämling nicht quetscht, weder mit den Fingern, noch mit der Klinge. Ein Skalpell ist grundsätzlich einem auch noch so scharfen Messer vorzuziehen. Vom Hylocereus wird das Kopfstück abgetrennt und der Sämling wird sofort mittig aufgesetzt. Einen Versatz nach zur Seite empfehle ich nicht, der Durchmesser des Hylocereus ist nicht so groß, als dass die Leiterbahnen großartig von der Mitte abweichen werden. Sehen kann man übrigens die Leiterbahnen in diesem juvenilen Gewebe noch nicht.
Die Hylocereusunterlage sollte mehrere Tage vor der Pfropfung nicht mehr gegossen werden und das Substrat sollte abgetrocknet sein. Zu gut bewässerte Unterlagen werden den Pfröpflinge ansonsten durch Pflanzensaft aufschwemmen, es bildet sich ein Tropfen, der ihn hoch drückt und von der Unterlage löst – es findet keine Verbindung statt. Bei guter Vorbereitung werden Unterlage und Pfröpfling durch den Pflanzensaft miteinander verkleben und innerhalb weniger Stunden wird der Pfröpfling von der Unterlage versorgt. In den ersten Stunden sollte die Pfropfung bei niedriger Luftfeuchtigkeit liegen, im Anschluss empfehle ich, die Pfropfungen in ein Zimmergewächshaus zu stellen um so die Luftfeuchtigkeit zu erhöhen. Das ist unerlässlich, weil sonst der Pfröpfling vertrocknen wird. Bis deutliches Wachstum einsetzt, erkennbar an starker Stachelbildung, wird kein direktes Sonnenlicht gegeben, sondern schattiert.
Temperaturen über 20 Grad sind ebenfalls notwendig, optimale Ergebnisse hatte ich bei 24 Grad.
Weiterhin müssen sowohl Unterlage als auch Pfröpfling vor der Pfropfung im Wachstum gewesen sein, um einen Erfolg zu gewährleisten. Wachstum wird nach ca. 2 Wochen eintreten und dann kann normal weiterkultiviert werden. Typisch ist übrigens auch eine Rotfärbung des Sämlings, die sich später verwächst – es handelt sich also nicht um Chlorophyllstörungen oder Mutationen, sondern nur ein Übergangsphänomen. Warum das so ist oder was damit bezweckt wird, ist mir allerdings noch nicht bekannt.

Sowohl bei Eriocereus jusbertii als auch bei Hylocereus undatus konnte ich feststellen, dass sie als Unterlagen nicht vom Pfröpfling ausgelaugt werden. Ganz im Gegenteil, die Unterlagen sind sogar kräftiger geworden und haben an Durchmesser zugelegt. Diese Eigenschaft wird man bei Pereskiopsis nicht finden. Ich halte sie jedoch für wünschenswert, weil der Pfröpfling länger auf der Unterlage bleiben kann. Sämlingspfropfungen sollten allerdings immer nur Übergangspfropfungen sein, Irgendwann sollte der Pfröpfling bewurzelt werden und auf eigenen Füssen stehen. Von Tiefpfropfungen halte ich persönlich nicht so viel. Darunter versteht man, dass die Unterlage von vornherein relativ niedrig ist und beim Umpflanzen immer tiefer ins Substrat gesetzt wird und irgendwann ganz darin verschwindet.
Das ist unvorteilhaft, weil sie dann keine Photosynthese mehr betreiben kann und eine große Gefahr von Fäulnis besteht, die auf den Pfröpfling übergehen wird.
Interessant bei der Sämlingspfropfung ist, dass man bereits nach wenigen Monaten innerhalb einer Kreuzung erkennen kann, wie unterschiedlich die einzelnen Sämlinge in der Bestachelung ausfallen, je größer der verwendete Genpool der Eltern, desto spannender wird es, die Nachkommenschar zu beobachten.


Ergänzung zur Sämlingspfropfung auf Hylocereus


Interessant ist sicherlich für den Interessierten, wie sich Sämlingspfropfungen auf Hylocereus im Winter verhalten.
Hierzu sollte man wissen, dass Hylocereen grosse, kletternde Kakteen sind, die u. a. auch im Mittelmeerraum an Felsen ranken und dort auch Fröste vertragen.


Das gilt sicherlich nicht für die hier beschriebenen Pfropfungen. Einerseits sind die Hylocereen, die als Pfropfunterlage dienen, selbst noch Sämlinge, und das juvenile Gewebe ist sehr saftreich. Jedweder Frost würde zum unumgänglichen Verlust der Pflanze führen. Auch von niedrigen Wintertemperaturen in einem beheizten Gewächshaus mit ca. +5 Grad würde ich abraten.
Meine Exemplare haben den Winter über am Südfenster bei normaler Zimmertemperatur gestanden und wurden alle ca. 2 Wochen gewässert. Interessant ist, dass die Pfröpflinge den gesamten Winter über noch leicht im Trieb waren und ständig an Grösse zugenommen haben.

Ein zusätzlicher Grund, sie bei Wohnraumtemperatur zu überwintern. So hat man auch in der kalten Jahreszeit und der eigentlichen Ruheperiode unserer Zöglinge immer noch etwas zu betrachten, und kann sich auf das Frühjahr und die neue Saison freuen.


Hylocereen vertragen übrigens auch gut normale Blumenerde, die wesentlich preiswerter ist als fertig gemischte Kakteenerde. Als Dünger verwende ich einen flüssigen Blumendünger mit Guano, der sehr stickstoffreich ist. Zunächst kommt es auf schnellen Zuwachs an, der dadurch noch zusätzlich stimuliert wird.

In diesem Sinne viel Erfolg und stachelige Grüsse aus dem niedersächsischen Einbeck,

Guido Bulla



Bei Sämlingspfropfungen sind inzwischen auch einige Sonderlinge aufgetreten.
Von denen möchte ich einige Fotos zeigen.


Bei der viel versprechenden Kreuzung RAB 0737 Afterglow x Oracle ist ein Doppelkopf entstanden, siehe Foto 1.
Es gibt noch 2 weitere Exemplare die sich normal entwickelt haben.


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Eigene Echinopsis/Foto 1.jpg



Bei der Kreuzung GBX 08-4 Sorceress x BEX 104 Kleopatra haben sich bei 2 Exemplaren Fehlentwicklungen gebildet. Bei beiden Exemplaren ist der Austriebspunkt vollkommen verschwunden.
Foto 2 zeigt das Exemplar, bei dem sich inzwischen die 3. Kugel übereinander gebildet hat.


Eigene Echinopsis/Foto 2.jpg



Foto 3 zeigt das Exemplar, bei dem 2 Areolen parallel ausgetrieben sind. Es bleibt abzuwarten ob sich diese Fehlentwicklungen weiter wiederholen werden.
2 weitere Exemplare wachsen ganz normal.


Eigene Echinopsis/Foto 3.jpg


Bei der Kreuzung GBX 08-10 Firelight x BEX 118 Brigitte Bardot hat sich ein Doppelkopf gebildet, wobei der eine Austrieb etwas mehr seitlich wächst. Hier war zunächst die rote Färbung sehr dominant. Inzwischen hat sich allerdings vermehrt Chlorophyll gebildet. Auffällig ist, dass es nach wie vor keine klare Rippenbildung gibt,
sondern das ganze vom Aussehen eher den Warzen der Gattung Mammillaria ähnelt, siehe Foto 4.


Eigene Echinopsis/Foto 4.jpg



Ein weiteres Exemplar wächst normal. Bei dieser Kreuzung ist allerdings auffällig, dass wurzelechte Sämlinge schlecht wachsen und über nur schlecht ausgeprägte Wurzeln verfügen.
Bei der Kreuzung GBX 08-21 BEX 104 Kleopatra x Serape ist schön erkennbar, wie unterschiedlich die Sämlinge innerhalb einer Kreuzungen ausfallen können, siehe Foto 5.


Eigene Echinopsis/Foto 5.jpg



Gleiches ist erkennbar bei der Kreuzung GBX 08-00 BEX 118 Brigitte Bardot x Samadhi.
Besonders angetan hat es mir das Exemplar mit dem kurzen, dunklen Stachelkleid (unten links)
- hier bin ich auf die Erstblüte gespannt, siehe Foto 6.


Eigene Echinopsis/Foto 6.jpg



Bei der Kreuzung GBX 08-20 Aurora x BEX 104 Kleopatra ist ebenfalls eine Mutation aufgetreten. Hier wuchs ein Pfröpfling zunächst als Cristat, d. h. der Austriebspunkt wurde schlitzförmig. Diese Fehlbildung hat sich dann aufgelöst in einen Dreierkopf, siehe Foto 7.
Bemerkenswert ist weiterhin die extrem dunkelgrüne Färbung mit leichtem Rotstich.


Eigene Echinopsis/Foto 7.jpg



Fotos 8 und 9 zeigen 2 Exemplare der Kreuzung GBX 08-9 Firelight x BEX 169, ca. 2 Wochen nach der Pfropfung. Hier ist der Austrieb an der starken Stachelbildung erkennbar.


Eigene Echinopsis/Foto 8.jpg Eigene Echinopsis/Foto 9.jpg



Foto 10 zeigt einen Gesamtblick auf einen Teil der 2008 erfolgreich durchgeführten Pfropfungen. Die Zeitersparnis gegenüber wurzelechter Aufzucht kann im Minimum mit einem Jahr beziffert werden.


Eigene Echinopsis/Foto 10.jpg



Mit dem richtigen Werkzeug und einem grünen Daumen wünsche ich allen, die sich ebenfalls an diesem interessanten Hobby versuchen wollen, viel Erfolg und Spaß an der Sache.

Stachelige Grüsse aus dem niedersächsischen Einbeck,


Guido Bulla